Archiv der Kategorie: Solidarität

SABATO 13 GENNAIO 2024
MILANO, PIAZZA DURANTE
ORE 15:00

💥 CORTEO NAZIONALE ANTIFASCISTA 💥

Solidarietà agli arrestat e ricercat per i fatti di Budapest. Combattere i nazisti è giusto!
Libertà per Gabriele, Ilaria, Maja, Tobias
NO ESTRADIZIONE

FREE ALL ANTIFAS

AIB: Ungarn: Hate Crime gegen Neonazis? Antifas in Haft

Die Gruppe „Budapest Solidarity Berlin“ gibt im neuen Antifa Info Blatt 140 vom Dezember 2023 einen Überblick über die Situation nach den Verhaftungen von zwei Antifaschist:innen aus Deutschland und Italien im Februar 2023 in Budapest.

Ein festgenommener Antifa wird für einen Videoclip vorgeführt.
(Screenshot: youtube; PoliceHungary)
Ein von der ungarischen Polizei „@PoliceHungary“ produzierter Videoclip inszenierte die Festnahme von Tatverdächtigen und trägt auf deren Youtube-Kanal den tendenziösen Titel „Gewalt gegen ein Mitglied der Gemeinschaft“ („Közösség tagja elleni erőszak“).

Seit über einem halben Jahr sitzen Tobi, ein Berliner Genosse, und eine Mailänder Genossin in Budapester Untersuchungs-Haft.1 Sie harren dort nicht nur unter besonders schlechten Bedingungen, Teilisolation und Schließer:innenwilkür aus – etwas, dass wir2 vom Knastsystem nicht anders erwarten, sondern sie sind darüber hinaus inhaftiert in einem rechtsautoritären Staat, der ein besonderes politisches Interesse an der Verfolgung westeuropäischer Antifaschist:innen hat.

Ungefähr ebenso lang werden mindestens sechs weitere Genoss:innen durch einen europäischen Haftbefehl im gleichen Zusammenhang in Budapest gesucht. Deutsche Behörden unterstützen und haben selbst Ermittlungen aufgenommen.

Dass die beiden Genossen:innen nach einem legalen europäischen SS-Gedenken in einer ungarischen Zelle sitzen und nicht einer der zahlreichen und gewaltausübenden Neonazis, spricht Bände darüber, wen die ungarischen Behörden als politische Gegner:innen verstehen. Es weist wenig darauf hin, dass die Haftbefehle fallen gelassen und die inhaftierten Genoss:innen frei gelassen werden.

Dass die ungarischen Polizeibehörden die Verhaftung der ursprünglich drei Genoss:innen nicht als eine ,gewöhnliche‘ Straftat behandeln werden, zeigte die ausgreifende und im TV ausgestrahlte Pressekonferenz der Budapester Polizei. Darin bemühten sich zwei Polizeioffiziere die angegriffenen Neonazis als unbescholtene Opfer darzustellen, während die Verhafteten als besonders gefährliche Gewalttäter:innen erscheinen sollten.

Kein Wunder in einem Land, dass sich mitten im autoritären Umbau der Öffentlichkeit und des Staates befindet. Der Rechtsruck von Victor Orban und der Fidesz-Partei3 bringt nach und nach die Medienlandschaft unter Kontrolle und behindert kritische Stimmen. Die Arbeit der Opposition und NGOs, die sich beispielsweise für die marginalisierte Roma-Bevölkerung oder Anerkennung sexueller Vielfalt einsetzen, wird immer weiter eingeschränkt. Kriminalisierung und Repression gegen Aktivist:innen sind dabei zentraler Teil des politischen Programms. Das wird auch durch die wachsende politische Kontrolle der Fidesz-Exekutive gegenüber dem Justizapparat und Richter:innenschaft ermöglicht, wie bspw. der Amnesty International Bericht „Status of the Hungarian Judiciary“ (2021) dokumentiert.

Darüber hinaus ist es für uns wegen sehr sparsamer Behördeninformationen und Sprachbarrieren schwierig die Situation vor Ort einzuschätzen. Trotzdem ist klar: Die Auswirkungen des rechten Staatsumbaus prägen die Ermittlungen und sind auch in den zukünftigen Gerichtsprozessen zu erwarten. Die ungarischen Anwält:innen haben uns gegenüber geäußert, dass es nur noch wenige Richter:innen gibt, die nicht auf Orbans Linie sind.

Was wird den Genoss:innen bisher vorgeworfen?

Zuerst standen die Verhafteten in Verdacht „Gewalt gegen Mitglieder einer Gemeinschaft“ in besonders schweren Fällen (mehrfach, in einer Gruppe und bewaffnet) ausgeübt oder geplant zu haben. Dass die Staatsanwaltschaft diesen Strafrechtsparagraphen 216 anwendet ist absurd und verrät etwas über deren Bewertung darüber, was es heißt Neonazi zu sein. Der Paragraph 216 des ungarischen Strafgesetzbuches anerkennt die besondere Schwere einer Gewalttat gegen gesellschaftlich diskriminierte Gruppen wie LGBTQI-Personen, ethnische ,Minderheiten‘  oder Personen mit Behinderung. Unterm Strich unterstellt die Budapester Staatsanwaltschaft, Neonazis wären eine diskriminierte Minderheit und die Genoss:innen hätten ein Hate Crime gegen Neonazis begangen. Eine weitere bittere Ironie begleitet den Vorwurf: Diese Hate-Crime-­Regelung ist erst auf Druck der Europäischen Union für stärkere Antidiskriminierungsgrundsätze ins ungarische Strafrechtssystem aufgenommen worden.

Zur Zeit wird die direkte Tatbeteiligung nur noch gegen die Mailänder Genossin aufrecht erhalten. Es drohen ihr dafür eine über zehnjährige Haftstrafe. Für den Vorwurf gegen Tobi scheinen die Ermittler:innen nicht ausreichend Indizien präsentieren zu können. Seit April 2023 wird er „nur noch“ beschuldigt, Mitglied in einer kriminellen Vereinigung zu sein, die hinter den Angriffen auf Neonazis in Budapest im Februar 2023 stünde. Dafür drohen ihm ein bis fünf Jahre Haft. Wir vermuten, dass hinter dieser Änderung auch das Interesse steht, Tobi trotz mangelnder Indizien weiter im Knast festhalten zu können. Die Erkenntnislage scheint so dünn zu sein, dass die ungarische Staatsanwaltschaft sich Akten aus dem „Antifa Ost-Prozess“ schicken ließ, um ihre Vorwürfe zu unterfüttern.

Doch die deutschen Behörden tauschen nicht nur Akten mit dem ungarischen Justizapparat aus. Sie sind auf eigene Faust tätig geworden: Am 15. Februar 2023 wurden in diesem Zusammenhang zwei Wohnungen in Berlin durchsucht. Einen Tag später haben die Generalstaatsanwaltschaft Dresden und die Staatsanwaltschaft Berlin Ermittlungen gegen sieben Personen wegen gefährlicher Körperverletzung in Budapest aufgenommen – wieder mal unter der Federführung des LKA Sachsen.

Seit Ende Februar 2023 sucht die ungarische Polizei mit Haftbefehlen nach drei weiteren Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit. Am 15. März 2023 gab es auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Dresden drei Razzien in Leipzig und fünf in Jena. In Thüringen wurde diesbezüglich offenbar eine Sonderkommission des Staatsschutzes im LKA gebildet.

Auf „Anti-Antifa“-Internetseiten, rechten Blogs und in Teilen der ungarischen und deutschen (rechten) Presse werden diese Fahndungen, inklusive Fotos und Namen der Betroffenen, vielen Spekulationen und auch massive Hetze geteilt und bejubelt.

Der Zustand des Rechtsstaates spiegelt sich auch in den Haftbedingungen in Ungarn als den härtesten in Europa wieder. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied schon 2015, dass Ungarn präventive und entschädigende Maßnahmen einführen sollte. Auch die BRD ist sich diesen Verhältnissen bewusst, so werden bei einer Verrechnung ein Tag Freiheitsentzug in ungarischen Gefängnissen als drei Hafttage in Deutschland gezählt.

Die Informationen, die uns die Genoss:innen zutragen, bestätigen dieses Bild der miserablen Bedingungen: Besonders die Isolation macht den Inhaftierten zu schaffen. In den ersten Wochen hatten sie keinen Kontakt zur Außenwelt, außer zu ihren ungarischen Anwält:innen. Die italienische Genossin wurde mehrere Wochen in Isolationshaft festgehalten. Es war nicht möglich Briefe, Geld und Pakete in die Gefängnisse zu senden. Den Genoss:innen fehlte es so nicht nur am sozialen Austausch, sondern auch am Nötigsten. Über Wochen hatten sie nur die Kleidung zur Verfügung, die sie bei der Inhaftierung mit sich trugen. Die Ernährung der Inhaftierten ist darüber hinaus kaum ausreichend, wenn man die miserable Essensausgabe nicht durch Einkäufe des gefängniseigenen Ladens aufstocken kann. Jene Einkäufe, die oft willkürlich gestrichen werden, waren ohne Kontakte, die Geld auf das Haftkonto überweisen, lange Zeit gar nicht möglich.

Der Nahrungsmangel ist jedoch nicht der einzige Angriff auf die Gesundheit der Inhaftierten. Hofgänge sowie das Recht auf eine Duschmöglichkeit hängen vom Gutdünken der Wärter:innen ab und werden auch mal für zwei Wochen entzogen. Im Sommer haben sich die Räume bis auf über 40 Grad erhitzt, während gleichzeitig die Möglichkeit, Fensterklappen zu öffnen, verboten wurde. Es sind vereinzelt Mithäftlinge aufgrund der Hitze kollabiert. In ungarischen Gefängnissen wimmelt es von Bettwanzen und anderen Insekten. Krankheiten können sich fast ungehindert ausbreiten. Leider macht sich die kaum vorhandene medizinische Versorgung immer stärker bemerkbar. Mehrmals wurde bei Verhören und richterlichem Anhörungen ,vergessen‘, den Rechts­beistand der Genoss:innen über  die Termine zu informieren oder vorher ausreichend mit Informationen zu versorgen.

Die Verhaftungen und Verfolgungen sind als Angriffe auf die antifaschistischen Bewegungen in Ungarn und Deutschland zu verstehen. Der Kontext ist die erfolgreiche Mobilisierung durch die Kampagne ,NS-Verherrlichung stoppen‘ und ungarischer linker Gruppen gegen das neonazistische Gedenken zum „Tag der Ehre“ in Budapest, welches zu den wichtigsten Vernetzungstreffen der europäischen Neonaziszene zählt.

Wir erwarten einen politischen Prozess, der die autoritären Tendenzen weiter stärken und gegen jedweden progressiven Aktivismus mobil machen soll. Wir stellen uns auf ein langwieriges Verfahren und auf eine lange Zeit der Unsicherheit mit Tobi und der italienischen Genossin in Untersuchungs-Haft ein. Die Isolation der Genoss:innen von ihren Freund:innen und Gefährt:innen erschwert die Solidarität. Sie macht sie jedoch nicht unmöglich. Wir freuen uns über Unterstützung jeder Art – Öffentlichkeit, Geld, politischen Druck und gute Einfälle, wie wir unsere Genoss:innen aus dem Knast kriegen.

Nachtrag:

In der Nacht vom 20. auf den 21. November 2023 wurde Gabriele aus Mailand verhaftet und ins Gefängnis von San Vittore gebracht. Nach der ersten Anhörung wurde ihm am Mittwoch, den 22. November 2023, Hausarrest mit allen Einschränkungen gewährt, wo er sich derzeit befindet. Ein von Ungarn ausgestellter Europäischer Haftbefehl lastet auf ihm wegen der Ereignisse vom Februar 2023, als einige Neonazis in Budapest anlässlich des „Tages der Ehre“ angegriffen wurden. In Berlin wurde am 11. Dezember 2023 eine weitere Person im Zusammenhang mit dem Budapest-Komplex verhaftet und in Untersuchungshaft genommen.

Mehr Informationen unter:

www.budapest-solidarity.net

www.basc.news

Spenden bitte an:

Rote Hilfe e.V.

GLS-Bank

Konto-Nr.: 4007 238 317

BLZ: 430 609 67

IBAN: DE55 4306 0967 4007 2383 17

BIC: GENODEM1GLS

Stichwort: Budapest

  • 1Um die Wünsche der Inhaftierten zu berücksichtigen, wird im Artikel nur ein Name genannt.
  • 2„wir“ meint die Autor*innen von „Budapest Solidarity Berlin“
  • 3Fidesz – Magyar Polgári Szövetség („Fidesz – Ungarischer Bürgerbund“)

https://antifainfoblatt.de/aib140/ungarn-hate-crime-gegen-neonazis-antifas-haft

Dez 2023: Anfrage im EU-Parlament über Ilarias Haftbedingungen in Ungarn

„Case of Ilaria Salis, detained in Hungary, and human rights in Hungarian prisons“.

Die italienischen Abgeordneten fragen:

  • 1.Is the Commission aware of this case?
  • 2.Will it take steps to put an end to this flagrant violation of human rights?

die parlamentarische Anfrage einiger italienischer Abgeordneter ist hier nachzulesen:

https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/E-9-2023-003713_EN.html

Graffiti "Free Gabri"

Keine Auslieferung von Gabri!

Am 5.12. wird über die Auslieferung von Gabri entschieden. Wir sagen – soweit darf es nicht kommen! Nicht nur wäre er den dortigen unwürdigen Knastbedingungen ausgesetzt, er läuft auch Gefahr, unter der rechtsnationalistischen Regierung Orbans einem Schauprozess ausgeliefert zu sein und dementsprechend besonders hart verurteilt zu werden!

Gemeinsam mit den GenossInnen aus Mailand schreiben wir: Wir rufen zu einem Tag der Solidarität am 5. Dezember auf, einem entscheidenden Datum für Gabrieles Schicksal, um ihm und allen anderen in diesen Fall verwickelten GenossInnen Kraft und Verbundenheit zu geben!

Wir laden alle ein, an diesem Tag mit Transparenten, Graffiti, auf die Straße zu gehen oder ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen, um sich mit Gabriele zu solidarisieren und sich gegen seine Auslieferung auszusprechen. Gabri muss in Italien bleiben!

KEINE AUSLIEFERUNG!

No estradizione!

 

Solidemo 23.11. 18 Uhr Köln: Siamo tutti antifascisti! Keine Auslieferung!

Diesen Dienstag – also am 21. November – haben die italienischen Cops eine weitere Person im Kontext des Budapest-Komplexes festgenommen. Der Genosse befindet sich zur Zeit unter Hausarrest, doch eine Auslieferung an das ungarische Orban-Regime steht im Raum. Dem Genossen wird vorgeworfen, zusammen mit anderen Antifas, beim sogenannten „Tag der Ehre“, einem Nazi-Aufmarsch, im Februar diesen Jahres gegen Nazis vorgegangen zu sein. Am Tag der Ehre kamen über 2000 Neonazis nach Budapest um dem Ausbruchsversuch der dort belagerten SS- und Wehrmachtssoldaten sowie ihrer ungarischen Kollaborateure zu gedenken.

Die Repression von dieser Woche reiht sich in die skandalösen Verfahren gegen die Budapest Two ein, die seit Anfang des Jahres in Budapest im Knast sitzen. Den beiden inhaftierten Genoss*innen Tobi und Ilaria aus Deutschland und Italien werden elementarste Rechte verwehrt, sie durften lange keinen Besuch empfangen, wurden von den anderen Gefangenen isoliert und auch die hygienischen Bedingungen in Haft sind katastrophal.

Dass der rechts regierte ungarische Staat nicht die Faschist*innen, sondern die Antifas verfolgt, die sich diesem Nazikult entgegenstellen, ist zwar skandalös, aber nicht überraschend. Um so schlimmer, dass sich die italienische und deutsche Regierung zu willigen Helfern des Orban-Regimes machen und bei der Verfolgung der Antifas mit Rat und Tat zur Seite stehen! Und nicht nur die Regierungen beteiligen sich an der Verfolgung: Die Politik kann sich auf die Hetze der Presse verlassen die sich insbesondere in Deutschland an der Fahndung nach „untergetauchten Linksextremist*innen“ beteiligt.

Für uns ist klar auf diesen Staat ist beim Kampf gegen den Faschismus kein Verlass! Antifa bleibt Handarbeit! Wir senden unsere Liebe und Solidarität an die inhaftierten Genoss*innen! Grüße an alle Untergetauchten! Free them all!

Zeigt eure Solidarität mit den Inhaftierten, kommt am Donnerstag, 23.11. 18 Uhr zum Hans-Böckler Platz von dort ziehen wir dann zum italienischen Generalkonsulat.
Siamo tutti antifascisti!

AntifaAK Cologne- Instagram

Ungebrochen solidarisch

Solidaritätserklärung vom 10.10.23: Gemeinsam gegen Medienhetze und Öffentlichkeitsfahndung!

Gemeinsam gegen Medienhetze und Öffentlichkeitsfahndung!
Solidarität mit den untergetauchten Antifaschist:innen – für einen ungebrochen aktiven Antifaschismus!

Ungebrochen solidarisch

Ende September veröffentlichten die Onlineportale der öffentlich-rechtlichen Sender NDR und WDR einen Beitrag zur „steigenden Zahl untergetauchter Linksextremisten“. Was als Sachinformation gekennzeichnet war, entpuppte sich beim Lesen sehr schnell als ausführlicher Hetzartikel gegen Antifaschist:innen, denen vorgeworfen wird, in Thüringen und Sachsen, sowie in Budapest organisiert und militant gegen Nazis vorgegangen zu sein. Der initiale Artikel wurde schnell von weiteren Medien, wie etwa der Tagesschau, aufgegriffen. Unisono wurde dabei notwendige antifaschistische Praxis gegen militante Nazinetzwerke in die Nähe von Terrorismus gerückt und so delegitimiert und kriminalisiert. Völlig falsch ist dabei auch die aus der Luft gegriffene Gleichsetzung von antifaschistischen Gruppen und militanten Aktionszirkeln.

Der Artikel erschien augenscheinlich nicht anlasslos, sondern war der Auftakt zu einer neuen und aufeinander abgestimmten Kampagne gegen die antifaschistische Bewegung. Am Montag nach der NDR/WDR-Steilvorlage legten die Sicherheitsbehörden, konkret die Bundesanwaltschaft und das LKA Sachsen, mit einer umfassenden, bundesweiten Öffentlichkeitsfahndung nach: In vielen Innenstädten, an Straßenbahnhaltestellen und Bahnhöfen erschienen großflächige Anzeigen auf Infoscreens, die das Gesicht eines der untergetauchten Antifaschisten zeigen sollen. Mitsamt einer ausgerufenen Belohnung von 10.000 Euro. Die mediale Hetzjagd wurde so durch die öffentliche ergänzt.

Eine Öffentlichkeitsfahndung gegen aktive Antifaschist:innen in diesem Umfang stellt – einmal mehr – eine neue Qualität im Vorgehen gegen Nazigegner:innen dar, wird sie doch sonst im öffentlichen Raum i.d.R. bei Kapitalverbrechen wie Mord oder im Zuge von Terrorismus genutzt. Dieser Schritt der Behörden kommt aber nicht unerwartet, sondern reiht sich ein in die massiven Versuche, gerade in Ostdeutschland, antifaschistische Politik zu kriminalisieren.

Die Behörden wenden hier eine alt(-bewährte) Taktik an: Durch die Stigmatisierung einzelner, in diesem Fall eines Genossen und seiner Aktivität gegen Nazis zum „Staatsfeind Nummer 1“, soll die Bewegung gespalten werden. Eine Bewegung, deren Stärke ihre Vielfältigkeit und Solidarität ist und die sich nicht in „gute, weil harmlose“ Antifaschist:innen und vermeintliche „kriminelle Schlägertruppen“ aufteilen lässt.

Die Öffentlichkeitsfahndung ist also ein Angriff auf die antifaschistische Bewegung als Ganzes und ihr sollte – unabhängig von der Bewertung der Aktionsform der untergetauchten Aktivist:innen – deswegen auch gemeinsam entgegengetreten werden.
Denn die Art und Weise, wie nun Jagd auf den Genossen gemacht wird, soll gleich mehreres bezwecken: Zum einen wird versucht den Untergetauchten jegliche Handlungs- und Bewegungsspielräume zu nehmen, zum anderen sollen solidarischen Unterstützer:innen abgeschreckt werden und natürlich hat die „Terror-Fahndung“ zum Ziel, Menschen vom konsequenten und notwendigen Vorgehen gegen bewaffnete Nazis abzuhalten. Damit stärken die Behörden letztlich die sich ohnehin im Aufwind befindlichen rechten und faschistischen Kräfte, gerade in Thüringen, Sachsen oder Ungarn.

Der Staat und seine Institutionen zeigen hier also einmal mehr, dass sie alles andere als eine neutrale Instanz sind. Seit 1990 haben Nazis über 200 Menschen in der Bundesrepublik ermordet, mit dem NSU existierte über Jahre eine von staatlichen Stellen z. T. gedeckte bewaffnete Gruppe im Untergrund und gegen knapp 600 Rechte gibt es einen offenen Haftbefehl. Öffentlichkeitsfahndung oder in anderer Form entschiedenes Vorgehen in diesem Zusammenhang: Fehlanzeige.
Es ist nur folgerichtig, wenn in Anbetracht dieser konkreten Gefahr antifaschistischer Selbstschutz von unten organisiert und militante Nazinetzwerke zurückgedrängt werden. Umso früher, desto besser – bevor und nicht nachdem wieder Unterkünfte brennen und Menschen ermordet werden.

In diesem Sinne: Hut ab vor Antifaschist:innen, die Nazis dort etwas entgegensetzen, wo sie sich ansonsten frei entfalten können. Ob in Eisenach, wo die Nazis regelmäßig Kampfsport trainieren und Anschläge auf Linke und Migrant:innen planen, in Sachsen, wo sie regierungskritische Bewegungen mit Massencharakter anführen, oder in Budapest, wo ganz andere Verhältnisse herrschen, Faschist:innen vom Staat hofiert werden und zu hunderten an offen NS-verherrlichenden Events teilnehmen können. Und zu guter Letzt Polizei und Justiz mit aller Härte gegen die verbliebenen Antifaschist:innen vorgehen.

Wir müssen dieser neuen medialen Hetze und dem immensen Druck der Behörden auf Einzelne gemeinsam entgegentreten. Tun wir das nicht, tragen wir am Ende zur Schwächung der antifaschistischen Bewegung bei. Und das wäre in der aktuellen Situation fatal. Auch wenn wir uns im konkreten Handeln nicht immer einig sind, so sind doch Vielschichtigkeit, die unterschiedlichen Aktionsformen und die uneingeschränkte Solidarität untereinander seit jeher eine Stärke der antifaschistischen Bewegung. In Anbetracht der aktuellen Rechtsentwicklung ist all das mehr denn je gefragt.

Solidarität mit den Verurteilten im Antifa-Ost-Komplex und den Inhaftierten in Budapest!
Solidarität mit den Untergetauchten und jetzt von der Öffentlichkeitsfahndung Betroffenen!
Lasst uns das Netz der Solidarität weiter knüpfen!

Deshalb: Setzt sichtbare Zeichen der Solidarität mit den betroffenen Antifaschist:innen. Unterstützt diese Solidaritätserklärung, verschafft den Betroffenen politische Rückendeckung, sammelt Geld für Prozesskosten und Co. Setzen wir der Öffentlichkeitsfahndung gemeinsam etwas entgehen.

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10. Oktober 2023

Antifa Kassel ★ Antifa NT München ★ Antifa United Rostock ★ Antifaschistische Aktion Koblenz ★ Antifaschistische Aktion Regensburg ★ Antifaschistische Aktion Süd ★ Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart & Region ★ Antifaschistischer Aufbau Köln/Brühl ★ Antifaschistischer Stammtisch München ★ Antifaschistische Basisgruppe Frankfurt/Offenbach ★ Antifaschistische Initiative Heidelberg (IL) ★ Autonome Antifa-Koordination Kiel ★ Communist Action & Theory Marburg ★ Fantasma – Revolutionäre Linke Kassel ★ Offenes Antifa Treffen Duisburg ★ Offenes Antifaschistisches Treffen Karlsruhe ★ Offenes Antifaschistisches Treffen Frankfurt ★ Offenes Antifaschistisches Treffen Mannheim ★ Offenes Antifaschistisches Treffen Rems-Murr ★ Offenes Treffen gegen Rassismus und Faschismus Tübingen und Region ★ ROSA – Reutlingen for Organisation, Solidarity and Actions ★ Rote Hilfe OG Stuttgart ★ Task – Antifaschistische Gruppe Kassel

Gemeinsame Solidaritätserklärung

[S] Öffentlickeitsfahndung nach Antifaschist übermalt

gefunden auf indymedia:

8.10.23: [S] Öffentlickeitsfahndung nach Antifaschist übermalt

Wir haben in der Nacht auf den 28.09. an verschiedenen Stellen in Stuttgart die aktuelle Öffentlichkeitsfahndung des BKA und LKA Sachsen sabotiert. Die Fahndungsplakate werden nun nicht mehr in der Öffentlichkeit zur Verrat von Antifaschist:innen aufrufen.

Seit Montag läuft eine bundesweite Öffentlichkeitsfahndung nach einem Antifa, der im Kontext des Antifa Ost – Verfahren gesucht wird. Bundesweit wird in staatlichen Behörden und an Verkehrsknotenpunkten in Werbekästen mit Bild um Hinweise gebeten und eine Belohnung von 10.000€ ausgelobt. Das ganze flankiert in Online-Medien und bereits am Sonntag durch einen Artikel in der Tagesschau angekündigt. Mittlerweile wird die Fahndung auch von rechten Akteuren aufgegriffen, die teilweise weitere Belohnungen ausrufen.

 

Zwar wird nach wie vor seit Jahrzehnten nach Ehemaligen der RAF gefahndet, die aktuelle Öffentlichkeitsfahndung stellt dennoch eine neue (alte) Qualität an Verfolgung gegenüber einer linken Bewegung dar.

Die aktuelle Repression sorgt für immer häufigere Haftstrafen gegen Militante, der Staat zwingt uns also eine Auseinandersetzung mit diesen und auch Alternativen zu Jahren im Knast auf. Wir finden es an dieser Stelle richtig, wenn Genoss:innen sich dazu entscheiden, nicht in den Knast zu gehen und zu schauen, welche neuen Wege gegangen werden können.

Im Idealfall kann daraus eine Perspektive entstehen und neue Antworten auf die sich verschärfende Repression geschaffen werden, die eine Handlungsfähigkeit fortbestehen lässt.

Der Öffentlichkeitsfahndung können wir aktuell überall begegnen, sie sabotieren und so die Aufrufe zur Denunziation und Verrat in der Öffentlichkeit wieder unsichtbar machen. Damit wird nicht nur konkret das Ziel der Fahndung behindert, sondern auch indirekt ein Beitrag dazu geleistet, dass der gesuchte Genosse (und die weiteren untergetauchten Genoss:innen) erfolgreich in ihren Bemühungen bleiben.

Getratsche, Mutmaßungen und unnötiges Gerede helfen nur den Bullen.

Wir halten zusammen – unsere Genoss:innen bekommt ihr nicht!

Freiheit und Glück den Untergetauchten!

Es gibt ebenfalls einen Aufruf zur Sabotage: antifasachsen.blackblogs.org

Bilder:

Gegen die Jagd auf Antifaschist:innen – Solidarität mit den untergetauchten Antifas!

von: Antirepressionskampagne „Antifa bleibt notwendig“

Seit einigen Tagen wird überall in Deutschland an Haltestellen, Werbetafeln und Polizeiwachen öffentlich nach dem Antifaschist Johann gefahndet. Ihm wird vorgeworfen Teil einer „kriminellen Vereinigung“ zu sein und gezielt an Angriffen auf Nazis beteiligt gewesen zu sein. Mit vollem Namen und Gesicht wird jagt auf diejenigen gemacht, die konsequent den Kampf gegen Nazis geführt haben sollen und sich der bewaffneten Gefahr von Rechts in den Weg gestellt haben.

Die öffentliche Fahndung reiht sich ein in die verschärfte Repression gegen (militanten) Antifaschismus und stellt eine neue Qualität der Repression dar. Sie hat zum Ziel einen konsequenten Antifaschismus nicht nur mit harten Haftstrafen, Vereinigungsdelikten und Razzien einzuschränken, sondern auch in der Gesellschaft großflächig zu delegitimieren und isolieren.

So soll mit der Öffentlichkeitsfahndung bewusst ein möglichst schlimmes Bild von Antifaschismus gezeichnet werden. Rechte Medienrhetorik wird übernommen, „Antifaschismus“ wird mit Terror gleichgesetzt und soll eine vermeintliche Gefahr für die Allgemeinheit darstellen.

Antifa bleibt notwendig!
In Zeiten, in denen die Rechtsentwicklung weiter voranschreitet, in denen Angriffe auf Geflüchtete Normalität sind und rassistische Parolen längst gesellschaftsfähig sind, knapp 1/5 der deutschen Gesellschaft Rechte Meinungen vertritt und auch die Regierung den rechten Kurst befeuert, ist jede Form des Antifaschismus richtig und bitter notwendig!

Ein Antifaschismus, der sich an den aktuellen gesellschaftlichen Notwendigkeiten orientiert, sich der faschistischen Gefahr aktiv in den Weg stellt und sich nicht an den bürgerlichen Rahmen hält.

Genau das wird den untergetauchten Antifaschist:innen aus dem Antifa- Ost-Verfahren und dem Budapest-Verfahren vorgeworfen:
sie haben organisiert Angriffe auf Faschist:innen durchgeführt und die Nazis direkt in ihrem handeln eingeschränkt.

Aber, die Repression richtet sich gegen Antifaschist:innen nicht aufgrund der Ausübung der Gewalt an sich. Vielmehr richtete sie sich gezielt an einen selbstorganisierten Antifaschismus, der sich nicht an die Spielregeln der bürgerlichen Gesetze hält, sondern eigene Maßstäbe für antifaschistisches handeln entwickelt und somit linke, klandestin organisierte Handlungsräume schafft, die fernab staatlicher Kontrolle und Einsicht agieren. Und damit auch im Kampf gegen Rechts die Legitimität des Staates in Frage stellen.

Der Staat sieht Rechts
Nicht erst seit in den letzten Jahren sind immer mehr faschistische Netzwerke in Polizei, Geheimdiensten und Bundeswehr – inklusive Morddrohungen, Anschlagsplänen und Todeslisten – bekannt wurden, ist klar, dass im antifaschistischen Kampf kein Verlass auf diesen Staat ist. Auch wenn sich der Staat anders darstellen möchte, er ist und bleibt keine neutrale Instanz, und hat kein ernsthaftes Interesse an der Bekämpfung des Faschismus. Darüber täuschen auch punktuelle Versuche faschistische Strukturen wie zuletzt das militante Netzwerk Hammerskins zu verbieten nicht hinweg (ganz abgesehen davon, dass Verbote Faschist:innen nicht an ihren Aktivitäten hindern).

Untergrund
Dass einige Antifaschist:innen sich in den vergangenen Jahren bewusst für ein Leben im Untergrund entschlossen haben und sich dem Zugriff der Repressionsorgane entziehen ist keineswegs Ausdruck von Defensive. Es geht um die Fortführung des Kampfes im Untergrund, der Schritt in die Illegalität ist konkreter Ausdruck des antagonistischen Verhältnisses zum Staat. Das ist eine praktische Konsequenz aus der Erkenntnis, dass ein Antifaschismus innerhalb des Rahmens, den der Staat und seine Repressionsorgane dulden, nur beschränkte Wirkmacht entfalten kann. Folglich wird ihm grundsätzlich die Legitimität und insbesondere die Legitimität zu Urteilen aberkannt.

Über eine solche Praxis mag es unterschiedliche Einschätzungen geben. Sie ist aber ein legitimer Ansatz antifaschistischer Politik. Deshalb ist es wichtig, sich trotz Repression nicht weg zu ducken, sondern klare Haltung zu zeigen.

Deshalb sind wir solidarisch mit dem Genossen und mit all den anderen untergetauchten Genoss:innen sein.

Antifaschismus ist Notwendig!